Bittet man den Ottonormaverbraucher auf der Straße einen instabilen Warenmarkt zu nennen, ist es wahrscheinlich, dass er von oder vielleicht von Metallen oder Kohle spricht. Nur wenige von ihnen werden die Schifffahrt erwähnen, was merkwürdig ist, wenn man berücksichtigt, dass, mit der Ausnahme von Öl, keine andere Industrie unser tägliches Leben so grundsätzlich beeinflusst. In dieser globalen Wirtschaft, würden die Menschen die Vorteile der Technologie nicht genießen können, sie würden nicht die coolste neueste Mode tragen und sie würden bestimmt nichts essen, wenn es keine Schiffe gäbe. Es ist tatsächlich unglaublich, dass so wenig über diese Industrie bekannt ist, wenn man bedenkt, dass 90% des gesamten Welthandels von der Schifffahrt abhängt und dass, in der UK alleine, täglich über 15.000 Container auf Schiffe geladen und von Schiffen abgeladen werden.
Das Seefrachtgeschäft ist eine echte Achterbahn, wenn es zu Preisbewegungen kommt (s.h. Darstellung1) und ist oft durch eine noch größere Unbeständigkeit als der Ölmarkt gekennzeichnet. Aber darüber hinaus bewegen sich die Seefracht und das Öl fast immer als Tandem, sie steigen und fallen zusammen. Oberflächlich erscheint das unlogisch, weil wir einen Markt haben, der Öl benutzt, aber keinen Vorteil daraus zieht, wenn die Ölpreise niedriger sind. Sicherlich sollte es andersrum sein? Aber nein; wenn die Ölpreise niedrig sind, verlangen die Kunden (Hersteller, Händler und Verkäufer) schnell niedrigere Seefrachtraten und darum fallen automatisch die Preise für Charter. Außerdem ist der Fall von Ölpreisen oft auch eine Reflektion von einem weltweit verringerten Bedarf an Konsumgütern und schafft eine so ein doppeltes Problem für die Seefrachtspediteure. Kunden verlangen niedrigere Frachtraten und gleichzeitig gibt es weniger Fracht, die verschickt werden soll. Das Ergebnis ist die Situation, die wir heute haben, in der der Baltic Dry Indes (vergleichbar mit Brent Crude) einen dreißigjährigen Tiefstand erreicht hat (s.h. Darstellung 1).
Es ist nichts Neues für die Seefahrtindustrie die Wellen eines Preissturms einfach auszureiten. Seefrachtraten stiegen seit dem Jahr 2000 stetig durch Chinas Wirtschaftswachstum an und Seefrachtspediteure sahen glückliche Tage. Ein Schiff, das seine Reise in Europa oder Nordamerika begann, transportierte Luxusgüter aus der entwickelten Welt zu gierigen Kunden in China. Nachdem die Waren entladen waren, wurden günstigere Waren aufs gleiche Schiff für seine Rückreise in den Westen geladen. In der Transportwelt ist das, ein himmelsgleicher Zustand, weil eine Leerfahrt auf dem Rückweg vermieden werden kann. Das waren die guten Tage, damals, und der Bedarf für Seefracht erreichte beinahe ein noch nie dagewesenes Niveau. Als Ergebnis boomte die Produktion in asiatischen Schiffswerften in Japan, Süd-Korea und China selber (Europa und Nordamerika beteiligen sich nicht mehr in der Massenproduktion von Schiffen). Aber gigantisch Seeriesen zu bauen, hat einen 3-5 jährigen Vorlauf und als die Finanzkrise in 2008 zuschlug, waren viele Schifffahrtsunternehmen mit dem ultimativen Alptraum konfrontiert: Gerade als die neuen Schiffe aus den Werften segelten, zerbröckelte der Bedarf und die Welt rutschte in eine Rezession ab.
Das Ergebnis war eine zu große Bereitstellung an Schifffahrtstonnage, ein sinkender Bedarf und ein kurzfristiger Verfall der Frachtraten. Doch der Bedarf für Seetransporte stieg schnell wieder an, da es zunächst einmal keine weltweite Rezession war, sondern nur eine US/EU Affäre. Zweitens verlangsamte sich der Rohstoffboom nur für eine kurze Zeit, bevor er sich wieder erholte und viele der Verluste aus den dunklen Tagen von 2008-9 wieder umkehrte. Das Bild ist aber weniger rosig, wenn man die Zeit bis zum heutigen Tage vorspult. Die Mehrheit der Leute vermutet, dass der Rohstoffboom vorbei ist und dass der chinesische Verbrauch auch nicht mehr boomt. Darstellung 2 verdeutlicht die momentane Situation und zeigt auch den engen Zusammenhang zwischen den Ölpreisen und den Seefrachtraten. Noch interessanter macht diese Darstellung aber, die abgebildete Beziehung zwischen den Frachtpreisen für Trockenwaren (Baltic Index) und denen für Tanker (Capital Link Index).
Sie werden sehen, dass der Baltic Index deutlich gefallen ist, während Tankerpreise viel langsamer sanken. Warum? Nun, die Antwort dazu liegt in den Gründen, die dem Ölpreisverfall zu Grunde liegen. Einerseits verlangsamt sich der wachsende Bedarf nach Öl und dies hat einen Abwärtseffekt auf die Ölpreise, aber der gesamte Bedarfsverfall nach Waren aller Art hat einen viel tiefergehenden Effekt auf die weite Welt des Seetransportes. Gleichzeitig wissen wir, dass der aktuelle Ölpreis Crash ein Überproduktionsphänomen ist (eine weltweite Marktschwemme) und es nicht wirklich um einen fallenden Bedarf an Öl geht. Obwohl die Ölpreise fallen, bleibt der Bedarf für den Transport eben dieses Öls relativ stabil. Denn letzten Endes boomt die Ölgewinnung und wenn dieses schwarze Zeug erstmal aus dem Boden ist, muss es irgendwo hin und diese Tatsache involviert die Benutzung eines Schiffes, selbst wenn dies nirgendwohin fährt, sondern einfach nur an Küste vor Anker liegt.
Tankerpreise sind also gefallen, weil ihre Besitzer die Preisvergünstigungen in Brennstoffkosten an ihre Kunden weitergeben mussten, aber im Allgemeinen konnte eine Großhandelsschlappe (wie im Baltic Index) vermieden werden. Trotzdem muss gesagt werden, dass jeder deutliche Fall in Seefrachtraten signifikante und langfristige Konsequenzen hat und Tatsache ist, dass beide, Trockengüter und Flüssigkeiten, niedrigere Frachtraten erleben, nur in einem verschiedenen Ausmaß. Wir haben bereits festgestellt, dass das Bauen eines Schiffes eine langfristige Angelegenheit ist und mit durchschnittlichen Kosten von $150 Mil., ist es nur gerecht zu sagen, dass Reedereien nicht so schnell wieder Schiffe bauen werden. Dies wird aller Wahrscheinlichkeit als Folge haben, dass wir beim nächsten Konsumenten- oder Rohstoffboom nicht genug Schiffe haben. Diese Knappheit wird zum allgemeinen Inflationsdruck beitragen, weil Fracht-raten sicherlich drastisch steigen werden und der Kreislauf wieder von vorne beginnen wird. Herzlich willkommen zum Boom- und Pleitekreislauf.