Ölmarktbericht Juni, 2015

Im März beschäftigen wir uns mit dem kanadischen Teersand und warum die niedrigen Ölpreise einen so einschneidenden Effekt auf diese kanadische Schlüsselindustrie haben. Doch durch die weiterhin niedrigen Ölpreise ist nicht nur die Teersandindustrie schmerzlich betroffen. In Aberdeen, Standort der UK-Offshore-Industrie, gab es viele Presseberichte über die in den nächsten Jahren zu erwartende Arbeitsplatzverluste, die durch Kürzungen in der Ölproduktion verursacht werden  und diese Prognosen liegen in der Höhe von 15.000 (optimistisch) und 25.000 (pessimistisch) voraussichtlichen Arbeitsplätzen. Es gab aber nur wenig öffentliches Interesse für einen viel kleineren Bereich der Ölindustrie, der sich auf harte Zeiten vorbereiten muss, die Biotreibstoffindustrie.

Der Berührungspunkt ist relativ eindeutig, wenn man sich das beiliegende Diagramm betrachtet. Biokraftsoff ist sehr viel teurer als normal raffinierte Produkte und diese Situation hat sich seit Ende 2014, als die Ölpreise abstürzten, verschlechtert. Letztes Jahr zur gleichen Zeit wurde FAME Biodiesel (Fettsäure-Methyl-Ester) für ca. $ 1000,– pro Tonne (ca. 50 Pence per Liter) gehandelt während Diesel bei ungefähr $ 900,– (ca. 45 pence pro Liter) lag – ein Unterschied von $100,– (7 ppl.) Doch wenn man 12 Monate vorspult, sieht man, dass der Preisunterschied auf $ 230,– per Tonne (13 ppl.) angestiegen ist, nachdem er im Januar sogar ein Hoch von $ 360 per Tonne (20 ppl.) erreichte. Eine derartige Preisungleichheit bedeutet grundsätzlich, dass Biokraftstoff ohne Subventionen nicht mit normal raffinierten Kraftstoffen wie Diesel und Benzin konkurrieren kann.

Ich höre Sie sagen „ Moment mal bitte. Sicherlich gibt es Minimumverbrauchsmengen für Biotreibstoffe in Europa, so dass sie auf jeden Fall benutzt werden müssen, egal wie hoch der Preis ist?“ Nun ja, das ist tatsächlich so mit einer Menge von 4.75% in Großbritannien, 6,25% in Deutschland, 7% in Frankreich, usw. und oberflächlich betrachtet, scheint dies die Lösung des Problems zu sein. Aber wie immer in der Ölindustrie, sind Dinge nie so einfach wie sie scheinen.

Zunächst einmal wollen Biotreibstoffhersteller, wie alle Unternehmen, soviel wie möglich und nicht nur die angeordnete Minimummenge verkaufen und seit viele Motorgarantien heutzutage eine viel höhere Beimischung von Biokrafstoffen akzeptieren, existiert in der Theorie, die Möglichkeit sehr viel mehr zu verkaufen. Tatsächlich – und mathematisch ausgedrückt – eröffnet eine 10% Beimischung im Vergleich zu einer angeordneten 5% Biotreibstoffbeimischung die Möglichkeit den Verkauf zu verdoppeln. Doch dies kann nur dann Realität werden, wenn der Preis stimmt und die Preise für Biokraftstoffe stimmen im Moment ganz und gar nicht. Nur der schlechteste Einkäufer der Welt würde freiwillig ein Produkt kaufen, das das Gleiche wie Standarddiesel kann (aber prinzipiell von schlechterer Qualität ist) jedoch bis zu 20 ppl mehr kostet.

Von noch größerer Bedeutung ist aber die Weise, auf die Kraftstoffhändler ihre angeordneten Biotreibstoffquoten erfüllen können. Einerseits können sie natürlich ihre gesamten Kraftstoffmengen in der geforderten 5% Beimischung, d.h. 5 Liter Biotreibstoff auf jede 95 Liter verkauften Standardkraftstoff mischen, andererseits haben sie jedoch auch die Option, den Biotreibstoff durch Biozertifikate zu ersetzen ( „Erneuerbare Transportkraftstoffanleihen“ oder „Renewable Transport Fuel Obligations = RTFO’s genannt). Theoretisch sollten diese Zertifikate teurer als der Biokraftsoff selber sein, d.h. ein Anreiz die Gesamtmenge bei zu mischen und nicht die Zertifikate zukaufen entsteht. Durch den massiven Preisunterschied zwischen z.B. Standarddiesel und Biodiesel sind die Treibstofflieferanten aber liebend gerne bereit, weniger Biokraftstoff zu verkaufen und die Mengen einfach mit den leichter erhältlichen RFTOs zu ergänzen. Theoretisch sollte mit steigender Nachfrage der Preis der RTFO Zertifikate steigen und wir sollten beobachten können, wie die Kraftstoffhändler wieder anfangen vollständig beigemischte Treibstoffe zu verkaufen. Durch den Maßstab und die Geschwindigkeit des aktuellen Preisverfalls von Standardölprodukten sieht es jedoch nicht so aus, als würde das in Kürze geschehen. Grundsätzlich sieht es so aus, als wenn es dem wenig dynamischen RTFO Markt schwerfällt mit dem unsteten Ölmarkt mitzuhalten und das bedeutet für die Biokraftstoffhersteller weniger Volumen.

Ohne Frage gibt es durch den niedrigen Ölpreis mehr Gewinner (Konsumenten) als Verlierer (Produzenten), aber für die relativ junge Biotreibstoffindustrie sind niedrige Preise schlechte Nachrichten. Sie sind aber auch schlecht für ihre Lieferanten. Wie, sind zum Beispiel die Aussichten für die europäischen Rapsbauern, deren jährlichen 20 Mil. Tonnen Ernte überwiegend (60%) an die Biokraftstoffindustrie geliefert werden? Und all dies, in einem Industriezweig, der vom ersten Tag an unter Beschuss stand. Ist es richtig Land dazu zu benutzen Treibstoff statt Nahrungsmittel anzubauen? Wie viele Hektar des Regenwaldes mussten schon Palmenölplantagen weichen um Biodiesel zu liefern? Sind einige der der energieintensiven Biotreibstoffgewinnungsprozesse (z.B. Ethanol aus Korn) wirklich grüner als Rohölförderung aus der Erde? Und um dies alles noch zu krönen, sind die Überlebenden dieses fragilen Sektors auch noch mit der Aussicht konfrontiert, ein nicht konkurrenzfähiges Produkt für Monate, wenn nicht Jahre, verkaufen zu müssen. Das ist eine schwierige Position und ein Sektor, der sich entweder auf Maßnahmen der Regierung oder permanent hohe Treibstoffpreise verlassen muss, erscheint zumindest dem Beobachter, nicht als langfristiger Gewinner.